Freitag, 8. Juli 2016

Menschen zu Wasser | Ausflug ins Maritime Museum Hamburg

Ich bin ein Klugscheißer. Wenn ich ehrlich bin, macht es mir Spaß andere auf Fehler hinzuweisen. Was ihr vermutlicht nicht wisst, ist dass Klugscheißerei ganz schön anstrengend ist. Nicht nur muss man die stetigen Sanktionen seiner Mitmenschen ertragen, auch bedarf es akribischer Vorbereitung und stetiger Weiterbildung. Natürlich kann man einfach Behaupten ein bestimmter Sachverhalt sei überhaupt nicht so wie von seinem Gegenüber behauptet, jedoch sind Menschen, die eine solche Methode praktizieren sogar in der eingeschworenen Klugscheißer-Gemeinde verpönt. Außerdem gibt es nichts schlimmeres als seinerseits von jemandem korrigiert zu werden. Ich bevorzuge daher fundiertes Klugscheißen. Daraus ergibt sich eine erweiterte Art und Weise des Klugscheißens. Andere ungefragt belehren. Ich nenne es "Klugscheißen+". Hier eine Kostprobe:

Das Adjektiv maritim (lat. maritimus ,zum Meer gehörig’) bezeichnet einen Einfluss des Meeres. Im Unterschied zum Adjektiv marin wird der Ausdruck maritim insbesondere dann angewendet, wenn es um Nutzungen des Meeres durch den Menschen oder eine auf den Menschen bezogene Sichtweise geht. Daher spricht man von maritimer Technologie, aber von marinen Bodenschätzen oder marinen Ökosystemen.

Haste nicht gewusst, ne? Bam! Was das ganze mit diesem Artikel zu tun hat? Nichts natürlich. Lies trotzdem weiter, da kannste was über's Meer lernen!
 

Das IMMH befindet sich wenig überraschend in einem schicken Speicher mitten in der Speicherstadt. Während ich vor dem Gebäude auf meine Begleitung warte, beobachte ich wie eine Gruppe Touris von ihrem Guide mit ihren Sagways vertraut gemacht werden. Ich hasse diese Dinger! Immerhin sehen Hans-Heinrich und Gisela angemessen dämlich aus, wie sie mit ihren potthässlichen Fahrradhelmen eher schlecht als recht über den Vorplatz eiern. 


Als es endlich losgehen kann, werden wir vom Sicherheitspersonal direkt wieder gebremst. "Rucksäcke in die Schränke!", blafft er uns an. "Okay, okay", erwidere ich. Mit dem alten Mann will ich mich nicht streiten. Nachher kriegt er noch nen Herzinfarkt! Bereits in der Eingangshalle riecht es etwas seltsam. Wie wir später herausfinden werden, liegt das an den unterschiedlichen Substanzen mit denen Taue und Holz konserviert werden. Nach ein paar Minuten hat man sich glücklicherweise dran gewöhnt. Das Museum erstreckt sich über mehrere Stockwerke. Auf jedem "Deck" (dicke Props an den Praktikanten in der Marketingabteilung für die kreative Idee) wird dem Bildungssubjekt ein anderer Bereich maritimen Lebens und Sterbens nähergebracht. Im "Treppenhaus" befindet sich ein ziemlich großes Modell eines Segelschiffs - an der Decke aufgehängt und vor einem Ölgemälde platziert. Hübsch!


Das erste Deck, welches wir uns anschauen, beschäftigt sich mit der Schifffahrt im Allgemeinen. Genese, Funktion und Probleme im Umgang mit Kompass, Lot, Sextant, Seekarten und Funkgeräten werden hier thematisiert. Ich stelle fest, dass meine Kenntnisse im Bereich der Navigation, der Gestirne und offenbar der Naturwissenschaften im Allgemeinen eher bescheiden sind. No Klugscheissing here. Entsprechend bin ich aber höchst motiviert diese auszugleichen und sauge wissbegierig auf, was mir präsentiert wird. Besonders cool: an einem Modell kann man die Navigation mit einem Sextant selbst ausprobieren. Spannend finde ich auch alles, was das Museum auf diesem Deck zum Thema Leuchttürme bereithält. Außerdem gibt es einen Schiffsimulator, den ich jetzt eher semi-spannend fand.

Nachdem wir sicherlich eine dreiviertel Stunde auf dem Deck 1 unterwegs waren, entscheiden wir uns dazu als nächstes die Decks 2 und 3 anzuschauen. Hauptgegenstand von Deck 2 ist das gemeine Segelschiff. An versch. Modellen und Originalteilen werden alle Probleme der Fortbewegung per Windkraft beleuchtet. Tatsächlich auch spannender als erwartet, aber auch sehr, sehr technisch. Noch schlimmer ist diese technische Sicht auf Deck 3, wo es um den Schiffbau geht. Hier halten wir uns nicht sonderlich lang auf. Auf dem Weg zu Deck 4 laufen wir an einem kleinen Abschnitt vorbei, der sich mit Piraten beschäftigt. Natürlich stehen hier die obligatorischen Kanonen herum, es werden kurz wichtige Begriffe wie Kaperbrief, Augenklappe und Holzbein abgehandelt, aber generell bin ich etwas unterwältigt. Allerdings: das Museum nennt den Kopf des berühmten Störtebeker sein Eigen und stellt diesen auch aus. Ist halt nicht mehr als ein skelletierter Schädel, aber hey - immerhin hat man den dann auch mal gesehen. 


Deck 4 beschäftigt sich mit dem Leben an Board unterschiedlicher Schiffe und der Mannschaft. Hier werden auch Dinge wie Sklaverei, Armut und andere Motive, die einen damals dazu brachten zur See zu fahren beschrieben. Generell finde ich die Erzählweise des Museums stringent und gut nachvollziehbar. 

Auf Deck 5 geht's kriegerisch zur Sache. Hier werden alle nur denkbaren kriegerischen Auseinandersetzungen zur See abgehandelt. Spannend ist, dass die hierbei eingesetzten Tötungswerkzeuge epochenweise präsentiert werden. So gibt es einen frühen Torpedo und sogar ein U-Boot, dem ich unter Garantie nicht mein Leben anvertrauen würde, zu sehen. Außerdem bestitzt das Museum eine sehr ansehnliche Sammlung von Handfeuer-, Hieb- und Stichwaffen. Vom Säbel über die AK-47 ist alles dabei, was man auf hoher See so benutzen kann, um seinen Nächsten ins Jenseits zu befördern oder zumindest einem seiner Gliedmaßen zu berauben. Leider ist das Ganze anders als die anderen Teile des Ausstellung wenig in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext eingebunden. Eine kritische Auseinandersetzung mit Krieg als "Politik mit anderen Mitteln" gibt es im Grunde nicht.




Darüber hinaus werden Uniformen gezeigt und die dazugehörigen Dienstgrade erklärt. Dabei sind einige Kuriositäten und interessante Anekdoten. Diese zum Beispiel:



Deck 6 (Moderner Seefahrt: Handels- und Passagierschiffahrt) finden wir irgendwie langweilig und fahren mit dem Aufzug (das Museum ist generell recht barrierefrei - Pluspunkt!) direkt zum Deck 7. Das Meer und seine Erforschung durch den Menschen stehen hier im Mittelpunkt. Neben den großen Entdeckern und ihren Expeditionen wird über allerhand Viechzeugs aufgeklärt. Einen weiteren Beweis für die Notwendigkeit eines baldigen Atomkrieges, der den Menschen vom Angesicht dieser Erde tilgt, ist der Abschnitt über die Geschichte des Walfangs. Ätzender Scheiss. Trotzdem kann ich nicht anders und muss die aufgebaute und frei bedienbare Harpune ausprobieren. "Der Wal kam direkt auf mich zu. Ich musste schießen!"


Deck 8 und 9 sind absolut zu vernachlässigen. Ersteres widmet sich dem künstlerischen, genauer: malerischen Zugang des Menschen zur See, Letzteres beherbergt eine riesige Sammlung von Modellen. Wenn ich Modelle sehen will, geh ich ins Miniaturwunderland und wenn ich Bock auf Kunst habe, verwende ich meine Zeit in der Kunsthalle. Also schnell vorbei am grummeligen Sicherheitsmann und ab nach Hause. Naja, nicht ganz. Draußen vor dem Museum stehen Kanonen, die verdächtig "reitbar" aussehen. "Ja, okay", sage ich und drehe eine Runde auf Fury. Verdammt, wo ist gleich das Foto? Müssen wir wohl nochmal machen...

Fazit: Das Museum ist leider nicht ganz billig, lohnt sicher aber. Dafür, dass das Museum im Grunde das Ergebnis einer privaten Sammelleidenschaft ist, wurden die Inhalte ziemlich gut aufgearbeitet. Außerdem gibt es sehr viel zu sehen. Generell sollte man also unbedingt genug Zeit mitbringen. Ich habe Alles in Allem auf jeden Fall das Gefühl, beim nächsten Segeltrip dem Skipper einige gut gemeinte Ratschläge geben zu können.

Unterhaltungsfaktor: 7 von 10
Kategorie: high culture
Eintritt: Erwachsene 12,50€
Infos: www.imm-hamburg.de


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen